Sonntag, 24. August 2008

Über Kühe, das Wetter und Hunde ...


.... eine Geschichte


Die Mutterkühe rufen eindringlich nach ihren Kälbern. Die stehen auf der anderen Weide und machen nicht den Eindruck kommen zu wollen. Schauen unberührt zu. Alle Versuche von unserem Nachbarn Cohen sie zu ihren Müttern zu treiben, werden fast trotzig ignoriert.
Heute wurde die Herde umgesetzt und gastiert so nun direkt vor unserem Haus und Dogkennel.
Allerdings haben sich einige der "Jungen" geweigert mit umzuziehen und stehen jetzt noch auf der alten Weide.
Die Hunde sind begeistert, die Kühe auch, man starrt sich gegenseitig an, grasfressend mit großen Augen auf der einen, taxierend und die Menge des Fleischberges abschätzend auf der anderen Seite.
Die Sonne neigt sich und Cohen treibt immer noch, mit dem Auto langsam und bedächtig. Das störrische Jungvieh scheint aber andere Pläne für den Abend zu haben.
Keine Wildwestromantik im Rinderstaat.
Der Himmel ist bilderbuch-blau, die Frösche geben ihr immerwährendes Konzert. Vor zwei Stunden gab es noch heftigen Landregen aus grauen, dicken Wolken.
Hier hat das Wetter noch Eventcharakter, nichts von Beständigkeit. Im Frühjahr gibt es Tage wo die Temperatur locker auf 30 Grad klettern kann, um dann innerhalb von einigen Stunden fast den Nullpunkt zu erreichen.
Eine Kuh ist besonders interessiert, steht jetzt schon eine halbe Ewigkeit am Zaun und schaut rüber. Die Hunde schenken ihr gebührende Aufmerksamkeit. Ich bezweifele, das es so etwas wie Freundschaft werden kann.
Die dämlichen Kälber wollen nicht und ihr Mütter brüllen sich die Seele aus dem Leib. Die Idylle des Landlebens, im mittleren Westen, hier sitzend mit Blick auf dem Horizont, den gigantischen Eichenwäldern, den unzähligen Tierstimmen die den nahen Abend begrüßen, bekommt so den nötigen Touch an Realität.
Die Hunde gewöhnen sich langsam, leben noch etwas beengt, ohne den hohen Komfort den sie von Deutschland kennen. Aber das ist ja kein Dauerzustand. Ihr Doghouse steht schon, die Gehege auch. Es gibt viel Neues zu entdecken, vor einigen Tagen bellte Kiowa aufgeregt.
War gar nicht zu beruhigen, da war tatsächlich ein Stein der sich langsam bewegt, direkt am Auto.
Wir haben die Schildkröte dann wieder in den Wald zurück gebracht aus dem sie kam, Kiowas Stimmbändern und meinen Nerven zuliebe.
Mit dem Kojotenrudel verbindet unsere Hunde so etwas wie eine Rufbekanntschaft. Abends rufen die Jungs aus dem Wald rüber und die unsrigen heulen zurück. Je nachdem was es so zu quatschen gibt, geht das schon mal eine Weile hin und her.
Das schöne ist, es stört niemanden. Kein aufgeregtes Menschenvolk das Hunde- oder Kojotengeheul als belästigendes Element einer ansonsten eh mit Lärm angefüllten Welt empfindet.
Sitze hier auf meiner Bank im Nirgendwo und fühle mich als Teil von etwas das man schon privilegiert nennen kann.
Ein Bewohner einer noch einigermaßen intakten Welt zwischen Mensch und Natur. Wo jeder noch etwas mehr Freiraum hat, Mensch und Tier gleichermaßen. Allerdings sind die Gesetze des Lebens hier etwas härter.
Die Tornadoallee ist nur ein paar Autostunden entfernt. Wir hatten schon in den paar Wochen unseres Lebens hier drei ernstzunehmende Tornadowarnungen. Vor einigen Tagen sind in einem südlichen liegenden Country über 15 Menschen gestorben, weil einer dieser totbringenden Windhosen durch die Stadt gerast ist.
Gewitter sind hier gewaltig, nicht so zivilisiert wie in Europa. Für mich als ambitionierte Wetterbeobachterin toll und spannend, für unseren "donner-traumatisierten" Hund Tejar ein Höllentrip. Bei Gewitter, derer wir hier schon zahlreiche hatten, wird er immer zur Salzsäule. Erstarrt, mit einem großen "P" in den Augen in der Ecke stehend. Spricht man ihn an, wird es schlimmer. Also ignorieren. Nicht schön, wenn man selbst immer alles heile machen will.
Doch man hat schon viel Glück, wenn man hier leben kann und darf, es aushält, nah an der Natur, der Einsamkeit und mit den harten Regeln der Naturgesetze.
Denn nicht jede Schlange hier ist harmlos und die Sinne müssen erst wieder lernen zu reagieren, wahrzunehmen.
Aber bei all der Freude über dieses Art zu leben, wäre es auch toll, wenn jetzt mal jemand diese schreienden Kühe abstellen könnte.



Nicole
geschrieben an einem warmen Juniabend in Missouri

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