Freitag, 23. Januar 2009

Ein kleines Wunder

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Manchmal bietet einem das Leben die Chance an etwas ganz besonderem teilzuhaben. Etwas das einem einen Moment innehalten laesst, um staunend das Wunder des Lebens zu betrachten. Dies ist die Geschichte von so einem kleinen Wunder, der Kraft des Lebens und Menschen die unerwartetes tun.

In der Geschichte „Tanana`s Vorraete“ habe ich ja erzaehlt, wie schwierig es am Anfang war, gutes Fleisch fuer die Hunde zu bekommen. Nach laengerem Suchen hat Oliver dann einen „Custom Butcher“ gefunden, der ihm genug und qualitativ hochwertiges Fleisch, Knochen, Innereien, Pansen usw. bereitstellen konnte. Also faehrt Oliver jetzt jeden Dienstag, dem Schlachttag, zu Eric und holt drei grosse Plastikkisten mit allem moeglichen fuer die Hunde ab. Pro Woche sind das fast 200 kg.

Zwischen den beiden und den Angestellten hat sich ein sehr freundschaftliches Verhaeltniss eingestellt, weil Oliver noch vor Ort das Material aussortiert, zerkleinert und vor allem die von den Hunden so geliebte Kopfhaut selbst abzieht, da bleibt dann genug Zeit fuer nette Gespraeche.

All die Menschen die dort arbeiten, gehoeren zu der Glaubensgemeinschaft der Mennoniten, die es hier bei uns sehr haeufig gibt. Neben ihrer sehr enger Verbundenheit mit ihrem Glauben leben sie ein sehr eigenes Leben in den USA. Sie lehnen die gaenigen Medien wie Radio, Fernsehen und Internet ab, habe eigene Schulen und Ausbildungsstaetten. Ihr Urspuenge haben sie in der Schweiz, den Niederlanden und der Schweiz. Bis heute sprechen viele von ihnen das aus süddeutschen Dialekten entstandene Pennsylvania Dutch.

So war das „Fleischholen“ am Dienstag auch immer ein unterhaltsames Treffen mit wirklich sehr netten Menschen, die absolut freundlich und zuvorkommend sind.
Ich bin nie mitgefahren, weil ich ein sehr emotionales Verhaeltniss zu Kuehen haben, natuerlich keine esse und ich auf keinen Fall miterleben wollte, wie sie getoetet werden.
An manchen Tagen kam Oliver heim und sagte bloss, den Job moechte ich einfach nicht machen muessen. Das ist echt hart. Er erzaehlt mir nie mehr, weil er wusste das es mich schwer mitnehmen wuerde.

Trotzdem weiss ich, das die Tiere hier um einiges besser auf den letzten Weg gebracht werden, als irgendwo in Deutschland. Eric macht seinen Job und er tut das mit der noetigen Routine, aber auch mit dem Respekt vor dem Tier. Das ist keine Fliessbandarbeit, sondern ein kleiner Familienbetreib.

Vor einigen Wochen kam Oliver heim und erzaehlte mir eine unglaubliche Geschichte. Eric hat eine aeltere Kuh reinbekommen, die geschlachtet werden sollte. Das tat er dann auch. Wenn das Tier tot ist, wird es auf einen Tisch gelegt, zur weiteren Bearbeitung. Als sie dann da lag, ruckte es im Bauch noch, da zappelte was. Eric zoegerte nicht und schnitt den Bauch sofort auf und ... heraus kam ein Kaelbchen ... die Geburt muss kurz bevor gestanden haben, denn es war voll entwickelt.

Ohne zu zoegern wurde es trockengerubbelt, sofort bei dem Nachbarn der Kuehe hat, eingeforene Bistmich geholt. (Erstmilch, die die Kaelber unbedingt brauchen, hier haben alle Bauern sowas in der Kuehltruhe).
Die Frauen kuemmerten sich um den Kleinen und paeppelten ihn. Und tatsaechlich er ueberlebte die ersten Stunden.
Oliver sagte, was fuer ein wunderschoene Bulle, wenn Eric mich gefragt haette ob ich ihn haben moechte, haette ich ihn mitgenommen.
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Eine Woche spaeter kam Oliver heim und meine erste Frage war: wie geht es dem Kaelbchen? Alles war in Ordnung. Er waechst und gedeiht. Doch was sollte mit ihm passieren? Eric hat ihn nicht an den Besitzer der Kuh zurueckgegeben. Er hat ihn rausgeholt und ihm das Leben gerettet und fand es sicher auch nicht toll eine Kuh geschlachtet zu haben, die tragend ist. Sowas macht ein guter Schlachter einfach nicht. Von der Traechtigkeit hat er nichts gewusst.

In der folgenden Woche fragte Oliver dann nach, was passiert denn mit dem Buben? Eric meinte, das er dann irgendwann wohl auch den Gang durch seine Hallen gehen wird. Alle Frauen schauten entsetzt, das schien keine wirklich gute Idee zu sein. Oliver gab ihnen dem Tip, gebt ihm einen Namen, Eric wird nichts schlachten was einen Namen hat.

Wieder eine Woche spaeter kam Oliver heim und grinste ... das Kalb hat jetzt einen Namen. Ich muesste auch grinsen, gut gemacht, Maedels. Wie heisst er denn?? „Oliver“!!!!!!!

Das war wirklich der Brueller. So schlau und hinterhaeltig von dem weiblichem Volk. Also wird „Oliver“ jetzt ein Pet werden, ein Haustier. Denn es ist wirklich so, alles was einen Namen hat kann Eric nicht toeten und schon gar nicht, wenn es so heisst wie jemanden, den er gerne mag.
Heute bin ich dann mal mitgefahren, weil ich „Oliver“ anschauen wollte. Er sieht wirklich toll aus, ist absolut handzahm und fand es toll gestreichelt zu werden. Wer mehr Freude dabei hatte, ist schwer zu sagen. Ich denke mal, ich!

Wer haette erwartet, das ein Schlachter so ein weiches Herz hat, wer haette erwartet, das er es paeppelt, einen kleinen Stall baut und sich um etwas kuemmert, das er normalerweise toetet. Ein kleines Wunder wie das, das der Kerl im Bauch seine Mutter ihren Tod uebersteht.
Das ist dann einer der wirklich guten Tage.

Diese Geschichte ist Eric und seiner Familie gewidmet und all den Menschen die ihre Achtung von dem Leben nicht verloren haben.

1 Kommentar:

Mel hat gesagt…

oh wie süss, der kleine Oliver. So eine schöne Geschichte... das ist echt rührend.
Hoffentlich hat er ein langes glückliches Bullenleben... sonst musst Du noch eine Oliver "adoptieren".
lg Melli